In der Mitte treffen sich alle. In der Politik wird gerne die Mitte hervorgehoben. Im Fußball spielt sich das Meiste im Mittelfeld ab. In der Rede hat der Mittelteil mit ca. 80% den größten Anteil. Die Mitte wird in der Präsentation zwischen Anfang und Ende behandelt. genauso ist das in der Vorbereitung einer Rede. Gewöhnlich fangen wir in der Planung mit der Botschaft an und legen zum Schluss den Einstieg fest. „Der Schlüssel zu einer guten Rede lautet: Man braucht einen genialen Anfang, einen genialen Schluss und möglichst wenig dazwischen (Peter Ustinov).
Das Zitat widerspricht anscheinen der These, dass ca. 80% einer Rede den größten Anteil im Mittelteil hat. Der Mittelteil ist der Teil, der am wenigsten in Erinnerung bleibt. Warum verpulvern wir den größten Anteil an einer Stelle, die die Wenigsten hinterher noch im Gedächtnis haben.
Die Einleitung ist wichtig, um in die Rede reinzukommen. Zudem erregen wir Aufmerksamkeit, damit unser Publikum an unseren Lippen hängt. Wenn wir eine gute Einleitung hingelegt haben, sind die Zuhörer*innen gespannt, was als nächstes kommt. D.h. dass wir den Spannungsbogen in der Rede ziemlich hoch halten. Dadurch bleibt die Aufmerksamkeit beim Publikum. Wenn die Spannung abfällt, verlieren wir unser Publikum.
Warum ist der Mittelteil so wichtig?
Hier wird der Grundstein für die Botschaft, Handlungsaufforderung oder den Appell gelegt. Im Mittelteil erfolgt die Beweisführung. Wir argumentieren, überzeugen unser Gegenüber und nehmen ihm/ihr durch die Einwandvorwegnahme den Wind aus den Segeln. Beweisführung heißt u.a., ein Argument mit Beispielen und/oder Zahlen-Daten-Fakten zu untermauern. Glaubwürdiger erscheint ein Argument, wenn wir mit einer eigenen Geschichte punkten. Storytelling ist ein zentraler Bestandteil einer Rede. Wir haben mit einer Story die Chance, unser Publikum emotional für unsere Sichtweise, unsere Lösungsvorschläge zu beeinflussen. Im Mittelteil haben wir auch die Möglichkeit, ein Problem aufzugreifen und schrittweise verschiedene Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln. Wir zeigen die verschiedenen Aspekte auf und schlagen am Ende die aus unserer Sicht beste Lösungsmöglichkeit vor. In einer Informationsrede liefern wir im Mittelteil Informationen und untermauern diese auch mit Beispielen, Fakten und/oder Storys.
Der Mittelteil einer Rede könnte folgendermaßen aufgebaut sein:
- Zahlen, Daten, Fakten, Problemschilderung, Ist-Zustand, Definition,
- Negative Konsequenz
- Lösungsmöglichkeit 1 - Lösungsmöglichkeit 2 ggf. Einwandvorwegnahme
- Zielsatz, Motto
Diese Struktur habe ich von Deutschlands bekanntestem Rhetoriktrainer Michael Ehlers. Es gibt natürlich mehrere Möglichkeiten. Nach dieser Struktur beginnt der Mittelteil mit Fakten, mit einer Definition und/oder Problemschilderung. Die Zuhörer werden mit dem Thema verknüpft. Die Zuhörer haben nach Punkt 1 ein Gefühl für das Thema und haben die Grundlage, weiter zu folgen. Punkt 2 zeigt die Folgen auf, wenn ein Problem nicht gelöst wird. Damit erreichen wir, dass unser Publikum gebannt auf einen Lösungsvorschlag von uns wartet. ,,Der da vorne schildert uns ein Problem. Er sagt uns, was passiert, wenn nichts passiert. Dann wird der doch auch eine Lösung haben, damit nicht das passiert, wenn nichts passiert." Sonst wären wir unglaubwürdig, Schaumschläger, legen den Finger in die Wunde, wollen sie uns aber nicht verbrennen. Wenn wir ein Problem ansprechen, wollen wir auch den Weg zur Lösung aufzeigen. Sonst brauchen wir das Problem in unserer Rede nicht ansprechen. Wenn wir eine zweite Lösungsmöglichkeit im Köcher haben, können wir unser Publikum mit einer Argumentationskette besser von unserer Lösung überzeugen. Dabei sollten wir natürlich die Vorteile der einen zur anderen Lösungsmöglichkeit herausstellen. Werden von anderer Seite Einwände erwartet, sprechen wir die an. Die Einwandführer sind entwaffnet. Haben wir unser Publikum von unserer Richtung überzeugt, geht es im nächsten Schritt (Punkt 4), unsere Lösungsmöglichkeit noch einmal zu untermauern. Wir geben die weitere Richtung vor und ein Ziel aus. Mit einem knackigen Satz beschreiben wir unseren Weg.
80% sind eine Ansage. Der Mittelteil bereitet auf den Schlussteil vor. Wie wollen wir unsere Botschaft an den Mann oder die Frau bringen, wenn wir keine Argumente geliefert haben. Wir überzeugen. Wir wollen, dass unser Publikum unseren Weg mitgeht. Das geht nur, wenn wir gut argumentieren, Gegenargumente entkräften und eine glaubwürdige und überzeugende Beweisführung an den Tag legen.
Jens-Uwe Adler
Redestolz
Foto: Ariane Hessenius
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